Das Pflichtteilsrecht


Das Pflichtteilsrecht garantiert den nächsten Angehörigen eine bestimmte Quote an der Verlassenschaft und stellt dadurch eine erhebliche Beschränkung der Testierfreiheit dar. Das Pflichtteilsrecht ist daher für die Nachlassplanung von erheblicher Bedeutung. Wenn die Pflichtteile nämlich nicht berücksichtigt oder falsch berechnet werden, kann dies nach dem Tod des Erblassers zu erheblichen Verschiebungen des Vermögens führen; auch gegen ausdrückliche Anordnungen im Testament.

Pflichtteilsberechtigte Personen

Zum Kreis der pflichtteilsberechtigten Personen zählen die Nachkommen des Verstorbenen sowie der Ehegatte/eingetragene Partner (eP). Ihre Pflichtteilsquote beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils.

 

Beispiel: Wenn der Verstorbene den Ehegatten/eP und zwei Kinder hinterlässt, so beträgt der Pflichtteil des Ehegatten/eP ein Sechstel (die Hälfte des gesetzlichen Erbteils von einem Drittel) und der Pflichtteil der Kinder ebenfalls je ein Sechstel (die Hälfte des gesetzlichen Erbteils von einem Drittel).

 

Durch das Erbrechts-Änderungsgesetz 2015 (ErbRÄG 2015) sind die Vorfahren des Verstorbenen bis zur 4. Parentel nicht mehr pflichtteilsberechtigt.

  

Achtung: Der Lebensgefährte hat- auch wenn er nach neuem Recht außerordentlicher Erbe ist - niemals ein Recht auf einen Pflichtteil. 

 

Auf den Pflichtteil kann auch von zukünftigen Erben verzichtet werde. Dabei ist jedoch genau zu unterscheiden, wann eine solche Regelung die Pflichtteilsquote der anderen Erben erhöht und wann sie die Testierfreiheit des Verstorbenen vergrößert.

Entziehung und Minderung des Pflichtteils

Eine Enterbung und daher ein Entzug des Pflichtteils können nur aus besonderen Gründen erfolgen. Im Gesetz sind folgende Gründe aufgezählt:

 

  • bei bestimmten strafbaren Handlungen des Pflichtteilsberechtigten gegen den Verstorbenen oder dessen nahe Angehörige.
  • wenn die Verwirklichung des wahren letzten Willens des Verstorbenen vereitelt oder zu vereiteln versucht wird.
  • Wenn dem Verstorbenen in verwerflicher Weise schweres seelisches Leid zugefügt wurde, wenn sonst familienrechtliche Pflichten gegenüber dem Verstorbenen gröblich vernachlässigt wurden, oder bei einer oder mehrerer, mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen und einer Verurteilung zu lebenslanger oder zwanzigjähriger Freiheitsstrafe.

Auch kann der Pflichtteil entzogen werden, wenn aufgrund der Verschuldung oder des verschwenderischen Lebensstils eines Berechtigten die Gefahr besteht, dass der ihm gebührende Pflichtteil ganz oder größtenteils seinen Kindern entgehen wird. Eine Entziehung des Pflichtteils ist aber nur zugunsten der Kinder des Berechtigten möglich.

  

Weniger drastisch als der Entzug des Pflichtteils ist eine Minderung auf die Hälfte, wenn der Verstorbene und der Pflichtteilsberechtigte zu keiner Zeit, oder zumindest einen längeren Zeitraum (etwa 20 Jahre) vor dem Tod des Verstorbenen nicht in einem solchen Naheverhältnis standen, wie es zwischen solchen Familienangehörigen gewöhnlicher Weise besteht.

Dieses Recht auf Minderung des Pflichtteils besteht jedoch nur, wenn nicht der Verstorbene selbst den Kontakt grundlos gemieden oder berechtigten Anlass für den fehlenden Kontakt auf Seiten des Pflichtteilsberechtigten gegeben hat. 

 

Wichtig: Sowohl ein Entzug des Pflichtteils als auch eine Pflichtteilsminderung setzen unbedingt eine letztwillige Verfügung des Verstorbenen voraus!

Berechnung des Pflichtteils

Der Pflichtteil berechnet sich auf der Grundlage der reinen Verlassenschaft. Das bedeutet, dass alle Aktiva bewertet und addiert werden und die Summe um die Passiven vermindert wird. Vermächtnisse und andere Lasten, die aus dem letzten Willen entspringen, sind dabei nicht abzuziehen. Zu beachten sind allerdings Schenkungen.

 

Bei der Feststellung der Höhe des Pflichtteils wird auf den Zeitpunkt des Todes des Verstorbenen abgestellt. Da der Pflichtteilsanspruch meist erst später erfüllt wird, hat der Berechtigte neben dem Anspruch auf den Geldpflichtteil Anspruch auf die gesetzlichen Zinsen ab dem Zeltpunkt des Todes des Verstorbenen.

 

Der Pflichtteilsberechtigte hat jedoch nicht immer einen Geldanspruch. Der Pflichtteil kann auch etwa durch ein Vermächtnis erfüllt sein.

 

Wenn aber dem Pflichtteilsberechtigten ein auf die Leistung von Geld gerichteter Pflichtteilsanspruch zusteht, kann für die Verlassenschaft und für den Erben ein beachtliches Liquiditätsproblem entstehen. Dies insbesondere dann, wenn in der Verlassenschaft nicht ausreichende Barmittel enthalten sind, um den Anspruch sofort erfüllen zu können. Wird keine von allen akzeptierte Lösung gefunden, muss der Erbe bzw. müssen die Erben unter Umständen Gegenstände aus der Verlassenschaft unter erheblichem Zeitdruck veräußern, um den Pflichtteilsberechtigten „auszuzahlen“. Im schlimmsten Fall kann dadurch etwa der Bestand eines Unternehmens gefährdet sein.

 

Durch das Erbrechts-Änderungsgesetz 2015 (ErbRÄG 2015) wurde diese Situation entschärft: Der auf Geld gerichtete Pflichtteilsanspruch kann erst ein Jahr nach dem Tod des Verstorbenen gefordert werden.

 

Wichtig: Bereits im Zuge der Nachlassplanung kann im Rahmen einer letztwilligen Verfügung eine Stundung auf höchstens fünf Jahre oder die Zahlung von Teilbeträgen in diesem Zeitraum angeordnet werden. In besonders berücksichtigungswürdigen Fällen kann der Zeitraum vom Gericht sogar auf zehn Jahre verlängert werden.